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Montag 5. Dezember 2022 | 11:00 bis 12:00 | 3°C  
 
Warten auf den ICE 11205 Karwendel. Berlin - Erfurt- Nürnberg.  
 
Abfahrt ist um 12:04. Fast pünktlicher Einstieg mit FFP-2 Maske und schwerem Rucksack. Wagenreihung wie meist: Geändert. Großes Geschiebe auf dem Bahnsteig.  
Jetzt rattert der Zug durch die wolkenverhangene norddeutsche Tiefebene, die seit bald einer Woche schon ohne direktes Sonnenlicht auskommen muß.  
 
Die Nacht war viel zu kurz. Um 2:00 aufgewacht aus einem Traum, in dem ich auf der Toilette saß. Wird das jetzt Routine?  
Danach wachgelegen, hin und her gewälzt bis schließlich doch wieder das Smartphone vom Nachttisch als Fernseher diente. Ein Krimi auf arte, der ausgerechnet in Hamburg spielte.  
Ab 4:00 wieder versucht zu schlafen.  
Kein Erfolg!  
Bis um 6 der Wecker klingelte aber doch weggenickt.  
Dann mit Carola gefrühstückt und anschließend noch etwas aufgeräumt, fertig gepackt und dann gewartet.  
Ferngesehen, Gitarre gespielt, Nägel geschnitten.  
 
Wann hat es eigentlich angefangen, dass ich vor lauter Angst den Zug zu verpassen immer viel zu früh am Bahnhof bin?  
Zugfahrten, an die ich mich erinnere: Von Düsseldorf nach Wiesbaden. Von Dortmund-Herdecke nach Düsseldorf. Von Hamburg nach Bonn zur Friedensdemo (vorher mit Jörg auf der Reeperbahn die Nacht durchgemacht).  
An die Bahnfahrten mit Rad auf der Tour durch die Niederlande erinnere ich mich nicht.  
Mit dem Nachtzug nach München und dann weiter nach Venedig. Mit der City-NightLine nach Winterthur.  
Dann erst wieder Witten, Düsseldorf und: Berlin.  
Da waren noch Fahrten nach Berlin, als die Mauer noch stand. Wieviele?  
Das ist eigentlich unwesentlich. Ich kann mich nicht erinnern je einen Zug verpasst zu haben.  
 
Auch den Flug in die USA zu meinem Austauschjahr habe ich nicht verpasst. Das vielleicht, weil ich drei Stunden vor dem Abflug am Airport war. Darauf hatte ich bestanden. Die Male, wenn wir auf unseren Vater warten mussten, bevor wir mit dem Auto in Urlaub fuhre, erinnere ich noch gut.  
Urlaub im Sinne von, mit gepackten Koffern weit weg zu reisen war das aber nicht. Es ging vielleicht zu Schuberts nach Widdersdorf oder den einen oder anderen Architektenfreunden.  
Die Reisen nach Stroud sind vergessen, zumindest diejenigen als Familie. Später mit Trudi und Jürgen, das war ein Abenteuer, zumindest in Erinnerung, weil wir Kinder keine Ausweise hatten? Wir hatten wohl welche, aber in unserem Alter damals gab es noch keine sogenannten Lichtbilder. Also nur drei amtliche Dokumente mit Namen und Geburtsdaten, wobei die Daten nicht zu denen der beiden Erwachsenen passten, die mit den Kindern in Dover im Citroé-Kastenwagen von der Fähre rollten.  
Wann war das?  
Nun, wir waren zu dritt und unser kleiner Bruder konnte schon Sprechen und Laufen. Also '67 plus 2 oder drei Jahre. Dann war der große Bruder schon am Gymnasium, also schon älter als zehn. So hatte er als einziger schon ein Foto im Kinderausweis, was auch erklärt weshalb wir nach einem Telefonat mit unserem Vater von den britischen Grenzposten durchgewunken wurden.  
1970 mit 8 Jahren in London. Wie immer bei meinen Rückblicken in die Kindheit, dreht sich alles um mich. Ist das ein Zeichen gafür, dass noch alles in Ordnung war? Wohl nicht, denn es war nicht alles in Ordnung. Die Erinnerunge fallen nur mit Momenten zusammen, in denen sich jemand gekümmert hat  
Die langen Zeiten, die ich alleine war sind weitestgehend vergessen.  
So vergessen wie die Male, die ich als Kind in Berlin war und schnell wieder weg wollte.  
Ich habe nie die Erwachsenen von damals aufgesucht, damit sie mir das erklären, was damals war.  
Das ist alles gut verdrängt. Nicht wirklich! Wie oft habe ich meine Kindheitsgeschichte anderen erzählt - Mindestens jeder festen Freundin, wahrscheinlich auch anderen. Wer nicht schnell genug war, hörte sich meine Geschichte. Meist hieß es dann: 'Was du alles erlebt hast, spannend!'  
Aber das war es nicht, was ich zu hören beabsichtigte.  
Zu der Zeit meiner frühen Jugend war ich ein Exot. Eltern geschieden, aus einer fremden Stadt zugereist und äußerlich kein wenig wie ein Junge aussehend. Allein die Tatsache, dass ich nie von meiner Mutter oder meinem Vater reden konnte ohne mich fremdartig distanziert zu fühlen, weil ich sie von Klein auf nur bei ihren Vornamen genannt hatte, und meine Brüder taten das auch, so dass wir auch untereinander nie die Worte Mama, Papa oder so ähnlich benutzten.  
Und warum fahre ich nun nach Berlin?  
Meine Tochter treffen, ja. Dafür hätte auch ein Nachmittaggereicht, wie beim letzten Mal. Durch die Gegegnd latschenund versuchen zu erinnern, wie das damals war. Vor 50 Jahren. Nur wird es da kaum etwas zu erinnern geben, da es sich ja höchstens um zwei Adressen handeln kann, von denen ich kaum glaube, dass ich sie wiedererkennen würde, wenn ich denn die richtigen Strassen finde.  
Abgesehen von der nicht vorhandenen Mauer hat sich so viel mit der Zeit verändert, dass ich nicht glaube, ein paar Wegmarken für Kinderaugen könnten noch existieren.  
 
Blick aus dem Fenster: Einfamilienhäuser mmit Walmdach wechseln sich mit Neubaueinkaufszeilen ab. Wir nähern uns Spandau. Bald kommt Berlin Hbf.  
Der Spass beginnt. Die Uhr ist aufgeladen und bereit die Stadt zu enträtseln.  
 
 
9. Dezember | 12:34 | 01°C  
 
Wieder im Zug. Warten auf die Abfahrt. Wagenreihung wieder einmal geändert. Routine.  
 
Die letzten Tage waren voller neuer und auch alter Eindrücke.  
Angefangen beim Fußweg vom Bahnhof zum Hostel in Kreuzberg. Mit der großen North Face Tasche auf den Schultern entwickelte sich das schnell zu einer anstrengenden Angelegenheit., aber ich wollte ja möglichst viele Strecken mit der Laufuhr aufzeichnen. Also hatte ich mich zusammengerissen.  
Wie ich es mir vorgenommen hatte, machte ich zwischendurch hin und wieder ein Foto, damit ich Wegpunkte für ein späteres Wiederfinden der Strecke hatte. Das letzte Stück der Strecke begleitete mich Mona. Sie war zwischendurch mit dem Fahrrad zu mir aufgeschlossen und hatte noch etwas Zeit bis sie zu ihrer Therapiestunde musste.  
Am Prisma Pavillon trennten wir uns wieder und das letzte Stück am Paul-Linke-Ufer war ich wieder allein.  
Als ich die Pizzeria Zola, in der wir zum Abendessen mit Joseph verabredet waren, passiert hatte, war es immer noch diesig und die Sonne hatte sich den ganzen Tag nicht gezeigt.  
 
Das Einchecken im Regenbogen-Hostel gestaltete sich recht unkompliziert, doch war ich erstaunt, als ich aufgefordert wurde meinen Personalausweis vorzulegen. Bei einem Kollektiv in einem ehemals instandbesetzten Fabrikensemble überraschte eine solche bürokratische Identitätsabfrage, aber andererseits ist das Hostel als Beherbergungsbetrieb wohl auch verpflichtet eine ordentliche Buchführung vorzuweisen.  
Nachdem ich die Schlüssel ausgehändigt bekommen hatte, machte ich mich, ausgestattet mit einer Garnitur Bettwäsche, auf den Weg zu meiner Unterkunft.  
Sehr spartanisch. Fast wie ein Zimmer im abc-Bildungszentrum in Hüll, wo die Jahresplanungswochenenden vom CVJM-Hamburg eine zeitlang stattfanden. Nur an Stelle eines Reetdachhauses von der Größe eines Bauernhofs nur ein kleines zwei-stöckiges Gebäude in einem Hinterhof. Dazu noch die Kälte und der Hunger (ich hatte seit dem Frühstück nichts gegessen). Es war trostlos.  
Im Erdgeschoss des Hostels befand sich links eine Küche und rechts der Frühstücksraum. Zwischen den beiden verschlossenen Türen ein paar schmale Treppenstufen zu einem Absatz, von dem je links und rechts wieder eine schmale Treppe zu den Gästezimmern und den Sanitäranlagen führten. Ich hielt mich links wie empfohlen und stand auch gleich vor Zimmer #3. Die Tür eine schwere Metall-Tür, grün lackiert.  
 
Das Zimmer war sehr klein, aber die Heizung lief.  

27.09.2023 - 12:57:47

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01

 
 
Bei Namen gibt es Verwirrungen. So wie in einigen Artikeln zu Bernward Vespers Buch 'Die Reise' behauptet wird er hätte sich bei der Benennung seines Großvaters geirrt (es wäre nicht Hans Rimpau sondern Arnold Rimpau gewesen), so tragen die über die Jahrhunderte stattgefunden habenden Namensänderungen geografischer Orte (wie zum Beispiel: Der Ort an der Mündung des Gelfbachs (heute: Mühlenbach) in den Rhein, Gelbuda (gegen: 79 n.Ch.) zu Gelb (ca. ausgehendes 19. Jhdt.) dann Gellep, bestimmt nicht dazu bei leicht Klarheit zu erlangen.  
 
Es scheint mir fast als wäre da ein sehr menschlicher Mechanismus am Werk. Bei der Arbeit an dem unter 'Personen' dargestellten Stammbaum bin ich auf derart viele Namensgleichheiten gestolpert, dass ich oft genug gestutzt habe. Da wurden Kinder nach Großeltern benannt, Namen von im Kindesalter Gestorbenen wurde Später-Geborenen erneut gegeben, und Namen tauchen in leicht abgeänderter Form auf (aus Johannes wird Hans). Als würde versucht, die wahre Identität zu verschleiern. Die Idee des Individuums ist wie alt?  
 
Über lange Zeiträume lässt sich dann irgendwann nicht mehr so leicht sagen wer, was, wann getan hat. Bei all dem Elend das Menschen verursacht haben, bei all den Schandtaten überall auf der Welt, erscheint es nur verständlich, dass die Überlebenden vergessen wollen, seien sie nun Täter oder Opfer gewesen. Geschichte schreiben können natürlicher Weise nur die Überlebenden.  
 
Da werden dann eben auch Gebäude auf den niedergebrannten Resten älterer Gemäuer errichtet und die Geschichte damit unter ihren eigenen Trümmern begraben. Erinnerungsorte oder Mahnmale wie die St. Nikolai Kirche in Hamburg sind Ausnahmen. Asche zu Asche, Staub zu Staub. Nichts geht verloren, alles taucht irgendwo wieder auf.  
 
Meilenweit Steine, nichts als Gebeine.
28.09.2023 - 14:31:49