Kotheshof | 2
Die ersten Soldaten, die welche zuerst im Jeep auf durch das Tor gekommen waren, verhielten sich zuerst äußerst höflich, als Isa ihnen in perfektem Oxford-Englisch erklärte, dass sie unmöglich ihr Lager im Hof aufschlagen könnten, wie sie es zu beabsichtigen schienen. Als Isa jedoch merkte, dass ihre Argumente, kleine Kinder spielten im Hof, wie ja an der Sandkiste und der Schaukel zu erkennen sei, nicht fruchteten und der Fahrer des Militärwagens auf Befehle des ranghöheren Officers verwies, war es schnell vorbei mit gegenseitigen Höflichkeiten.
Weitere Wagen kamen die Einfahrt hereingefahren und verwandelten den noch eben idyllischen Hof mit dem kleinen frischangelegten Blumengarten in ein lärmendes, von Dieselabgasen geschwängertes Chaos. Junge Soldaten kletterten lachend von der Pritsche eines Lasters herunter und sprachen in einem vertrauten Singsang miteinander, das Jasper und Leo von der Farm her kannten. Die Männer in den Uniformen mit ihren Barrets und den allgegenwärtigen Gewehren und Maschinenpistolen waren ihnen sofort sympatisch. Nachdem sie ihre Feldküche aufgebaut hatten und die Verpflegung für ihre Truppe fertig war, boten die Soldaten den Kindern etwas zum Essen an. Jasper und Leo hätten gerne angenommen, aber Isa, die zwischenzeitlich den kleinen Nils ins Haus gebracht und in das Laufgitter gesetzt hatte, rief sie zu sich und befahl ihnen, nicht mehr mit den Soldaten zu sprechen, das seien schlechte Menschen.
Da es langsam dunkel wurde, gingen sie ebenfalls bald ins Haus und freuten sich aufs Abendbrot. Von den Soldaten sprachen sie nicht mehr. Erst später, als sie schon in ihren Schlafanzügen waren und auf der Couch am Kinderzimmerfenster knieten um noch einen Blick in den Hof zu werfen, wechselten sie noch ein paar Worte darüber, warum Isa plötzlich so verändert gewesen war. Als sie ihnen verboten hatte, nach dem Abendessen noch einmal zu den englischen Soldaten zu gehen, war sie so schroff und kurz angebunden gewesen, als hätten sie etwas ganz böses getan, und auf die zaghafte Frage nach morgen funkelte sie nur mit den Augen und biss die Zähne zusammen bevor sie sich, ohne ein weiteres Wort, umdrehte und sie alleine ließ.
Isa war zu Tode verängstigt von dem Anblick der schwer bewaffneten Soldaten gewesen, die ihre Blumenbeete platt getrampelt und das bischen Rasen, das inzwischen im Hof gewachsen war, mit den groben Reifen ihrer Militärfahrzeuge in eine große Matschpfütze verwandelt hatten. Das große Manöver fand doch in Nordhessen und nicht hier bei ihnen in Krefeld statt. Das Platzpatronengeratter von jenseits der Mauern des Kotheshofs ging ihr durch Mark und Bein. Es war, als wäre sie wieder unterwegs auf der Allee, auf dem Weg ins Unbekannte, in dem Moment als die Flugzeuge kamen. Sie warfen sich flach auf den gefrorenen Straßenboden und krochen zum seitlichen Graben, während aus Bordkannonen geschossen wurde und die Menschen um ihr Leben schrien, obwohl ihnen schon lange die Kräfte geschwunden waren.
Sie lag im Dunkeln im Bett und hörte neben sich Nils leise schnaufen. Die Augen weit aufgerissen, starrte sie an die Zimmerdecke und suchte nach dem großen Wagen.
27.02.2023 - 13:13:31